Tip:
Highlight text to annotate it
X
Übersetzung: Sabine Karner Lektorat: Michaela Hilbert
Ich dachte, das Herumhüpfen würde mich beruhigen,
aber tatsächlich bewirkt das genau das Gegenteil,
also war das eine dumme Idee. (Gelächter)
Jedenfalls war ich echt entzückt, die Einladung zu erhalten,
um euch ein wenig von meiner Musik und meiner Arbeit als
Komponist vorzuführen, vermutlich weil es
meinen wohlbekannten und ergiebigen Narzissmus anspricht. (Gelächter)
Und das meine ich im Ernst, ich denke nur, wir sollten
das mal klarstellen und weitermachen. (Gelächter)
Es ist nun so, dass sich schnell ein Dilemma einstellte,
nämlich dass mich die Musik echt langweilt,
und dass mich die Rolle des Komponisten echt langweilt,
und so entschied ich mich dazu, diese Idee der Langeweile
zum Mittelpunkt meiner heutigen Präsentation zu machen.
Und ich werde euch meine Musik vorführen, aber ich hoffe
es auf ein Weise zu tun, die eine Geschichte erzählt,
eine Geschichte darüber, wie ich Langeweile als Katalysator für
Kreativität und Erfindung verwendete und wie Langeweile
mich dazu zwang, die grundlegende Frage zu ändern,
die ich in an mein Fach stellte,
und wie Langeweile mich auf gewisse Weise auch
dazu führte, Rollen jenseits der traditionellen
engen Beschreibung eines Komponisten anzunehmen.
Heute möchte ich damit beginnen, einen Auszug
eines Musikstücks am Klavier zu spielen.
(Musik)
Okay, das ist von mir. (Gelächter)
Nein, stimmt nicht – (Applaus) Ach, danke.
Nein, nein, das ist nicht von mir.
Tatsächlich war das von Beethoven,
ich habe mich also nicht als Komponist betätigt.
Gerade eben habe ich mich als Interpret betätigt,
und da bin ich: Interpret.
Also, ein Interpret wovon? Von einem Musikstück, nicht wahr?
Aber wir können die Frage stellen: "Aber ist das Musik?"
Und ich sage das rhetorisch, denn selbstverständlich
müssten wir bei ziemlich jeder Betrachtungsweise zugeben,
dass dies natürlich ein Stück Musik ist,
aber ich stelle das jetzt mal in den Raum,
nur um es für den Moment in eure Gehirne zu setzen,
denn wir werden zu dieser Frage zurückkehren.
Es wird eine Art Refrain werden,
während wir uns durch diesen Vortrag arbeiten.
Wir haben hier also dieses Musikstück von Beethoven,
und mein Problem damit ist, dass es langweilig ist.
Ich meine, man – oh, da wird es ruhig – es ist wie – (Gelächter)
Das ist Beethoven, wie kann man das nur sagen?
Nein, nun, ich weiß nicht, es ist mir sehr bekannt.
Als Kind musste ich es üben und ich habe die Nase voll davon. Also – (Gelächter)
Ich würde ... also ich würde vielleicht versuchen, es zu verändern,
es irgendwie zu transformieren, es persönlich zu machen,
also nehme ich vielleicht die Eröffnung, zum Beispiel diese Idee –
(Musik)
und tausche es gegen das hier aus – (Musik)
und dann improvisiere ich vielleicht diese Melodie,
die von da aus weiter geht – (Musik)
(Musik)
Sowas würde ich vielleicht – aber danke.
(Applaus)
Sowas würde ich tun,
aber es ist nicht unbedingt besser als Beethoven.
Vielmehr ist es nicht besser. Die Sache ist die: – (Gelächter) –
Ich finde es interessanter. Ich finde es weniger langweilig.
Ich stütze mich da sehr auf das "Ich", denn ich, denn ich muss
über die Entscheidungen nachdenken, die ich spontan treffen werde,
während dieser Beethoven-Text im Takt durch meinen Kopf läuft
und ich herauszufinden versuche, wie ich ihn
transformieren werde.
Für mich ist das ein bezauberndes Unterfangen,
und ich stütze mich sehr auf dieses Pronomen der ersten Person hier,
und mein Gesicht erscheint nun zweimal, also werden wir uns einig sein:
Dies ist ein grundlegend solipsistisches Unterfangen. (Gelächter)
Aber es ist ein bezauberndes und es interessiert mich
eine Zeit lang, aber dann langweilt es mich, und mit "es"
meine ich das Klavier, denn es wird ...
es ist dieses bekannte Instrument, seine Klangfarbenreichweite ist eigentlich
recht komprimiert, wenigstens beim Spielen auf der Tastatur,
und wenn man nicht was anderes macht, wie etwa zuhören,
nachdem man es angezündet hat, oder sowas ähnliches.
Es wird ein wenig langweilig, und bald
spiele ich andere Instrumente, sie werden mir geläufig,
und letztendlich entwerfe und baue ich
mein eigenes Instrument und ich habe heute eines mitgebracht
und ich dachte mir, ich würde euch ein wenig darauf vorspielen,
damit ihr hören könnt, wie es klingt.
(Musik)
Man muss Türstopper haben, das ist wichtig. (Gelächter)
Ich habe Kämme. Es sind die einzigen Kämme in meinem Besitz. (Musik)
Sie sind alle auf meinem Instrument montiert. (Gelächter)
(Musik)
Ich kann da alles mögliche machen. Ich kann
mit einem Geigenbogen spielen. Ich muss die Essstäbchen nicht verwenden.
Das ergibt diesen Klang. (Musik)
Und mit Live-Elektronik
kann ich die Klänge radikal verändern. (Musik)
(Musik)
Wie hier und wie hier. (Musik)
Und so weiter.
Nun habt ihr eine Vorstellung von der Klangwelt
dieses Instruments, das ich recht interessant finde,
und das mich in die Rolle des Erfinders stellt, und das Schöne daran –
dieses Instrument heißt Mausketier ... (Gelächter)
– und das Coole daran ist,
dass ich der weltweit beste Mausketierspieler bin. (Gelächter)
Okay? (Applaus)
In dieser Hinsicht ist es also eines der Dinge,
eines der Privilegien, wenn man der
Erfinder ist – hier ist also noch eine Rolle – und übrigens,
als ich sagte, dass ich der weltweit Beste bin,
falls ihr da mitzählt, da hatten wir Narzissmus und Solipsismus
und jetzt eine gesunde Portion Egozentrik.
Ich weiß, einige von euch denken "Bingo"! Oder ich weiß nicht was. (Gelächter)
Jedenfalls ist das auch eine echt erfreuliche Rolle.
Ich sollte auch zugeben, dass ich der weltweit schlechteste Mausketierspieler bin,
und um diesen Rang hatte ich mir am meisten Sorgen gemacht,
als ich noch auf der anderen Seite der Pragmatisierungskluft war.
Zum Glück liegt das hinter mir. Wir werden das nicht weiter erörtern.
Ich weine innerlich. Da gibt es noch immer Narben.
Jedenfalls würde ich sagen, es geht darum, dass alle diese Unternehmen
mich in ihrer Vielfältigkeit bezaubern, aber so wie ich sie euch heute
vorgeführt habe, sind sie eigentlich Einzelunternehmen,
und da verlangt es mich recht bald danach, mit anderen zu kommunizieren, und
ich bin entzückt, dass ich tatsächlich Werke für sie komponieren darf.
Ich schreibe, manchmal für Solisten, und da arbeite ich mit einer Person,
manchmal für ganze Orchester, und da arbeite ich mit vielen Leuten,
und das ist wahrscheinlich die Kapazität, die kreative Rolle,
für die ich beruflich wahrscheinlich am besten bekannt bin.
Nun, als Komponist sehen manche meiner Partituren so aus,
und andere sehen so aus,
und manche sehen so aus,
und die schreibe ich alle von Hand und das ist echt mühsam.
Es dauert sehr, sehr lange, diese Partituren zu schreiben,
und zur Zeit arbeite ich an einem Stück,
das 180 Seiten lang ist,
und das ist ein großer Teil meines Lebens und ich raufe mir die Haare.
Davon habe ich viele und das ist wohl gut so. (Gelächter)
Für mich wird das also echt langweilig und ermüdend,
nach einer Weile ist der Prozess der Notation nicht nur langweilig,
ich will, dass die Notation selbst interessanter wird,
und das hat mich zu Projekten wie diesem angetrieben.
Dieser Ausschnitt ist aus einer Partitur namens
"Die Metaphysik der Notation".
Die gesamte Partitur ist ca. 22 Meter breit.
Es ist ein Haufen verrückter piktografischer Notation.
Sehen wir uns diesen Abschnitt hier genauer an. Ihr könnt sehen,
dass es ziemlich detailliert ist. Das mache ich alles mithilfe von Zeichenvorlagen,
mit Kantenlinealen, mit Kurvenlinealen und freihändig
und die 22 Meter waren in zwölf,
ca. 1,8 Meter breite Tafeln aufgeteilt, die rund um den
Balkon des Foyer des Cantor Museum der Kunst installiert
und ein Jahr lang dort zu sehen waren.
Während dieses Jahres konnten sie den Großteil der Woche über als
bildende Kunst erlebt werden, ausgenommen, wie hier zu sehen,
an Freitagen, von Mittag bis 13 Uhr, und nur zu dieser Zeit
kamen diverse Künstler und interpretierten diese seltsamen
und unbestimmten piktografischen Glyphen. (Gelächter)
Für mich war das ein echt aufregendes Erlebnis.
Es war musikalisch befriedigend, aber ich glaube
wichtiger ist, dass es aufregend war, weil ich noch eine Rolle
füllen konnte, besonders weil es in einem Museum ausgestellt war,
nämlich die als bildender Künstler. (Gelächter)
Wir werden das alles bedecken, keine Sorge. (Gelächter)
Ich bin eine Vielzahl. (Gelächter)
Dazu gehört, ich meine, manche Leute
sagten: "Ach, du bist ein Amateur,"
und vielleicht stimmt das. Das kann ich verstehen, ich meine,
ich habe keinen Stammbaum in bildender Kunst
und ich habe kein Training, aber es ist einfach etwas,
das ich als Erweiterung meines Komponierens machen wollte,
als Erweiterung einer Art kreativen Impulses.
Ich kann jedoch die Frage verstehen. "Aber ist es Musik?"
Ich meine, da gibt es keine herkömmliche Notation.
Ich kann auch die unterstellte Kritik in meinem Stück
"S-tog" verstehen, welches ich komponierte, als ich in Kopenhagen lebte.
Ich nahm den Kopenhagener U-Bahnplan
und nannte alle Stationen in abstrakte musikalische Provokationen um
und die Musiker, die mit Stoppuhren synchronisiert sind,
folgen den Fahrplänen, welche in Minuten nach der vollen Stunde angeführt sind.
Dies ist also ein Fall, wo man etwas adaptiert,
oder vielleicht etwas stiehlt,
und es in eine musikalische Notation umwandelt.
Dieses Stück ist noch eine Adaption.
Ich nahm das Konzept der Armbanduhr her und ich verwandelte es in eine Partitur.
Ich entwarf meine eigenen Zifferblätter und ließ sie von einer Firma herstellen
und die Musiker folgen diesen Partituren.
Sie folgen den Sekundenzeigern, und wenn sie über
die diversen Symbole schreiten, kommt eine musikalische Antwort.
Hier gibt es noch ein Beispiel aus einem anderen Stück
und dann die Realisierung.
In diesen zwei Kapazitäten war ich ein Plünderer,
in dem Sinn, da ich mir den U-Bahnplan zueignete,
oder vielleicht ein Dieb und ich war auch ein Designer,
als ich die Armbanduhren herstellte.
Und ich wiederhole, für mich ist das interessant.
Eine weitere Rolle, die ich gerne fülle, ist die des Vorführungskünstlers.
Einige meiner Stücke haben diese seltsamen theatralischen Elemente
und ich führe sie oft vor. Ich möchte euch einen Clip zeigen
aus einem Stück namens "Echolalia".
Es wird von Brian McWhorter vorgeführt,
der ein außergewöhnlicher Künstler ist.
Sehen wir uns das ein wenig an und bitte beachtet die Instrumente.
(Musik)
Okay, ich hörte nervöses Lachen, denn auch ihr konntet hören,
dass der Bohrer ein wenig zu hoch gestimmt war,
die Intonation war ein wenig fragwürdig. (Gelächter)
Sehen wir uns noch einen Clip an.
(Musik)
Ihr seht, das Chaos geht weiter und da gab es, naja,
da gab es keine Klarinetten und Trompeten
und Flöten und Geigen. Hier ein Stück mit noch
ungewöhnlicheren, eigenartigeren Instrumenten.
Es heißt "Tlön", für drei Dirigenten und keine Musiker. (Gelächter)
Das basiert auf dem Erlebnis, zwei Leute beobachtet zu haben,
die einen bösen Streit in Zeichensprache führten,
wobei kaum ein Dezibel produziert wurde,
aber dennoch war es affektiv, psychologisch, ein sehr lautes Erlebnis.
Ja, ich verstehe, dass mit diesen merkwürdigen Apparaten
und dem totalen Wegfall konventioneller Instrumente
und diesem Überfluss an Dirigenten die Leute sich vielleicht
fragen, ja: "Ist das Musik?"
Aber machen wir weiter mit einem Stück, bei dem ich mich deutlich benehme,
und zwar meinem "Concerto für Orchester".
Ihr werdet eine Menge konventioneller Instrumente
in diesem Clip bemerken. (Musik)
(Musik)
Das ist eigentlich nicht der Titel dieses Stücks.
Ich war ein wenig schelmisch. Tatsächlich, um es interessanter zu machen,
habe ich hier Platz gelassen und dies ist der eigentliche Titel des Stücks.
Machen wir weiter mit dem Ausschnitt.
(Musik)
Mit einem Floristen ist es besser, nicht wahr? (Gelächter) (Musik)
Oder es ist zumindest weniger langweilig. Sehen wir uns noch ein paar Clips an.
(Musik)
Mit all diesen theatralischen Elementen fülle ich noch eine Rolle,
und möglicherweise ist es die des Dramaturgen.
Ich habe nett gespielt. Ich musste die Orchesterteile schreiben, oder?
Okay? Aber da gab es auch das andere Zeug, nicht wahr?
Da gab es den Floristen und ich kann verstehen, dass wir
wieder einmal auf die Ontologie der Musik, so wie wir sie
konventionell kennen, Druck ausüben,
aber sehen wir uns das für heute letzte Stück an, das ich euch zeigen will.
Dieses Stück heißt "Aphasia"
und es ist für Handgesten, die auf Klänge synchronisiert sind,
und das lädt zu noch einer Rolle ein, der letzten,
die ich euch zeige, nämlich der des Choreografen.
Und die Partitur für dieses Stück sieht so aus
und es weist mich, den Künstler, an,
diverse Handgesten zu genau bestimmten Zeiten zu machen,
die mit einem Tonband synchronisiert sind,
das ausschließlich aus Stimmproben besteht.
Ich nahm einen großartigen Sänger auf
und in meinen Computer nahm ich den Klang seiner Stimme
und verzerrte ihn auf zahllose Weisen,
um die Tonspur zu erstellen, die ihr jetzt gleich hört.
Und ich werde euch einen Ausschnitt von "Aphasia" hier vorführen. Okay?
(Musik)
Das gibt euch einen kleinen Vorgeschmack des Stücks. (Applaus)
Ja, zugegeben, das ist alles ein wenig seltsam.
Ist das Musik? Ich möchte auf folgende Weise abschließen.
Ich bin zu dem Entschluss gekommen, dass das am Ende die falsche Frage ist,
dass das nicht die bedeutende Frage ist.
Die bedeutende Frage ist: "Ist es interessant?"
Und ich folge dieser Frage ohne Sorge, ob das Musik ist,
ohne Sorge um die Definition des von mir Erschaffenen.
Ich erlaube meiner Kreativität, mich in
Richtungen zu treiben, die mich einfach interessieren,
ohne Sorge um die Ähnlichkeit des Resultats
zu irgendeinem Begriff, irgendeinem Muster,
wie Musik-Komposition zu sein hat,
und das hat mich gewissermaßen angetrieben,
eine Menge verschiedener Rollen anzunehmen.
Ich will, dass ihr darüber nachdenkt,
zu welchem Grad ihr die grundlegende Frage
in eurem Fach ändern könntet und, okay,
ich werde eine zusätzliche kleine Anmerkung hier einfügen,
denn mir wurde klar, dass ich vorher einige
psychologische Defekte erwähnte und da gab es auch
ziemlich viel zwanghaftes Verhalten,
und ein wenig wahnhaftes Verhalten und solcherlei
und hier könnte man wohl sagen, dass dies ein Argument
für Selbstverachtung und eine Art Schizophrenie ist,
wenigstens im Volksgebrauch,
und zwar dissoziative Identitätsstörung, okay. (Gelächter)
Jedenfalls würde ich euch trotz dieser Gefahren nahelegen
darüber nachzudenken, dass ihr vielleicht in eurer eigenen
Arbeit Rollen annehmt, egal ob die eurer Berufsbeschreibung
jetzt nahestehen oder davon weit entfernt sind.
Und damit möchte ich mich herzlich bedanken. (Applaus)
(Applaus)