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Übersetzung: Philipp Bock Lektorat: Andreas Lauble
Eine lange Zeit meines Lebens
habe ich mich gefühlt, als würde ich zwei unterschiedliche Leben führen.
Da gibt es das Leben, das jeder sieht,
und dann das Leben, das nur ich sehe.
Und in dem, das jeder sieht,
bin ich ein Freund,
ein Sohn, ein Bruder,
ein Stand-up-Comedian und ein Teenager.
Das ist das Leben, das jeder sieht.
Wenn man meine Freunde und Familie bitten würde, mich zu beschreiben,
würden sie das erzählen.
Das ist ein riesiger Teil von mir. Das bin ich.
Würden Sie mich bitten, mich zu beschreiben,
würde ich wahrscheinlich etwas Ähnliches sagen.
Ich würde nicht lügen,
aber ich würde nur die halbe Wahrheit erzählen,
denn in Wirklichkeit
ist das nur das Leben, das alle anderen sehen.
Im Leben, das nur ich sehe, bin ich –
bin ich in Wirklichkeit –
jemand, der ungemein mit Depressionen kämpft.
Das tue ich seit sechs Jahren,
und das tue ich immer noch, jeden Tag.
Jemanden, der noch nie Depressionen hatte,
oder nicht richtig weiß, was es bedeutet,
überrascht das vielleicht,
denn es gibt diesen weit verbreiteten Irrglauben,
dass Depressionen zu haben einfach heißt, traurig zu sein,
wenn im Leben etwas schiefläuft,
wenn man sich von seiner Freundin trennt,
wenn man einen geliebten Menschen verliert,
wenn man nicht den Job bekommt, den man wollte.
Aber das ist Traurigkeit. Das ist natürlich.
Das ist ein natürliches Gefühl des Menschen.
Echte Depressionen zu haben heißt nicht, traurig zu sein,
wenn im Leben etwas schiefläuft.
Echte Depressionen zu haben bedeutet, traurig zu sein,
wenn im Leben alles richtig läuft.
Das sind echte Depressionen und daran leide ich.
Und um ganz ehrlich zu sein,
fällt es mir schwer, hier zu stehen und das zu sagen.
Es fällt mir schwer, darüber zu reden,
und es scheint jedem schwerzufallen –
so schwer, dass niemand darüber redet.
Über Depressionen redet man nicht, aber das müssen wir,
weil es gerade heutzutage ein gewaltiges Problem ist.
Es ist ein gewaltiges Problem.
Aber in sozialen Netzwerken sehen wir nichts davon. Stimmt's?
Wir sehen es nicht auf Facebook. Wir sehen es nicht auf Twitter.
Wir sehen es nicht in den Nachrichten, weil es kein fröhliches,
lustiges oder leichtes Thema ist.
Und weil wir es nicht sehen, sehen wir nicht, wie ernst es ist.
Aber der Ernst und das Ausmaß davon ist Folgendes:
Alle 30 Sekunden,
alle 30 Sekunden nimmt sich irgendwo
irgendjemand in der Welt das Leben
wegen Depressionen,
und vielleicht passiert es zwei Straßen weiter, vielleicht zwei Länder
oder zwei Kontinente entfernt, aber es passiert,
und es passiert jeden einzelnen Tag.
Wir als Gesellschaft neigen dazu,
das zu sehen und zu sagen: „Na und?“
Na und? Wir sehen es und wir sagen: „Das ist dein Problem.
Das ist deren Problem.“
Wir sagen, wir sind traurig, wir sagen, es tut uns leid,
aber wir sagen auch: „Na und?“
Vor zwei Jahren war es mein Problem.
Ich saß auf meiner Bettkante
wie Millionen Male zuvor
und ich war suizidgefährdet.
Ich war suizidgefährdet und an der Oberfläche meines Lebens
hätten Sie keinen suizidgefährdeten Jungen gesehen.
Sie hätten einen Jungen gesehen, der Kapitän seiner Basketballmannschaft war,
Drama- und Theaterschüler des Jahres,
Englischschüler des Jahres,
jemand, der durchgehend auf der Bestenliste stand
und immer auf jeder Party war.
Man sollte also meinen, ich wäre nicht depressiv,
ich wäre nicht suizidgefährdet, aber da ist falsch.
Das ist absolut falsch. Ich verbrachte also die Nacht
neben einer Packung Tabletten, mit Stift und Papier in der Hand,
und ich dachte darüber nach, mir das Leben zu nehmen,
und ich war so kurz davor, es zu tun.
Ich war so kurz davor.
Aber ich tat es nicht, deswegen bin ich einer von den Glücklichen,
von denen, die bis an den Abgrund treten dürfen,
und runterschauen, aber nicht springen,
einer der Glücklichen, die überleben.
Ich habe überlebt und damit gibt es nur mich und meine Geschichte,
und hier ist sie:
Vier einfache Worten: Ich leide an Depressionen.
Ich leide an Depressionen
und lange Zeit
habe ich zwei völlig unterschiedliche Leben geführt,
in denen eine Person immer Angst vor der anderen hatte.
Ich hatte Angst, dass die Leute sehen, wer ich wirklich war,
dass ich nicht dieser perfekte, beliebte Junge auf der High School war, für den mich alle hielten,
dass unter meinem Lächeln ein Kampf tobte,
dass unter meiner Helligkeit Finsternis war,
und dass sich unter meiner großen Persönlichkeit nur noch größerer Schmerz versteckte.
Manche Leute haben Angst, dass die Mädchen sie nicht mögen.
Manche haben Angst vor Haien. Manche haben Angst vor dem Tod.
Aber ich, ich hatte lange Zeit meines Lebens Angst vor mir selbst.
Ich hatte Angst vor meiner Wahrheit, vor meiner Ehrlichkeit, vor meiner Verletzlichkeit,
und diese Angst gab mir das Gefühl,
in eine Ecke gedrängt zu sein,
als wäre ich in eine Ecke gedrängt, und es gäbe nur einen Ausweg,
und deshalb dachte ich jeden Tag über diesen Ausweg nach.
Jeden einzelnen Tag dachte ich daran
und wenn ich ganz ehrlich bin: Seit ich hier stehe
habe ich schon wieder darüber nachgedacht, weil das die Krankheit ist,
das ist der Kampf, das sind Depressionen
und Depressionen sind nicht wie Windpocken.
Es ist nicht so, dass man sie einmal besiegt und sie kommen nie wieder.
Mit Depressionen lebt man. Man lebt darin.
Es ist der Mitbewohner, den man nicht rauswerfen kann. Die Stimme, die man nicht ausblenden kann.
Die Gefühle, denen man scheinbar nicht entkommen kann.
Das Unheimlichste ist, dass man sich nach einer Zeit
daran gewöhnt. Es wird zum Alltag.
Und die größte Angst
ist nicht das Leid in einem selbst,
sondern das Stigma in anderen,
die Scham, die Peinlichkeit,
der missbilligende Blick von einem Freund,
das Geflüster auf den Gängen, du seist schwach,
die Kommentare, du seist verrückt.
Das ist es, was einen davon abhält, Hilfe zu holen.
Deswegen behält man es für sich und versteckt es.
Es ist das Stigma. Man unterdrückt es, versteckt es,
und man unterdrückt es und versteckt es,
und obwohl es einen jeden Morgen im Bett hält,
und obwohl es das Leben aushöhlt, egal, wie sehr man versucht es zu füllen,
versteckt man es, weil es in unserer Gesellschaft
ein echtes Stigma gegenüber Depressionen gibt.
Es ist ein echtes Stigma und wenn Sie das nicht glauben, dann stellen Sie sich diese Frage:
Würden Sie in Ihrem nächsten Facebook-Status eher
schreiben, dass Sie kaum aus dem Bett kommen,
weil Sie sich am Rücken verletzt haben,
oder dass Sie jeden Morgen kaum aus dem Bett kommen,
weil Sie depressiv sind?
Das ist das Stigma, weil wir leider
in einer Welt leben, in der man sich den Arm brechen kann,
und jeder zu einem rennt, um auf dem Gips zu unterschreiben,
aber wenn man Leuten sagt, dass man depressiv ist, rennen alle vor einem weg.
Das ist das Stigma.
Wir haben so, so, so viel Verständnis für jeden Teil unseres Körpers, der kaputt geht,
außer unserem Gehirn. Das ist Ignoranz.
Das ist reine Ignoranz und diese Ignoranz hat eine Welt erschaffen,
die Depressionen nicht versteht,
die psychische Gesundheit nicht versteht.
Das ist eigentlich paradox, weil Depressionen
eines der am besten dokumentierten Probleme in dieser Welt ist,
aber eines, über das am wenigsten geredet wird.
Wir schieben es einfach beiseite, in eine Ecke,
und tun so, als wäre es nicht da, auf dass es sich von selbst lösen möge.
Aber das tut es nicht. Das hat es nie getan und das wird es auch nicht tun,
denn das ist Wunschdenken,
und Wunschdenken ist kein Schlachtplan, sondern Verdrängung,
und etwas so Wichtiges dürfen wir nicht verdrängen.
Wenn man ein Problem lösen möchte, muss man
als ersten Schritt erkennen, dass man eines hat.
Aber das haben wir noch nicht erkannt, also können wir auch
keine Antwort erwarten, wenn wir noch Angst vor der Frage haben.
Ich kenne die Antwort nicht.
Ich wünschte, ich würde sie kennen! Aber ich kenne sie nicht – aber ich denke,
dass sie von hier ausgehen muss.
Sie muss von mir ausgehen, sie muss von Ihnen ausgehen,
sie muss von den Menschen ausgehen, die leiden,
die sich im Schatten verstecken.
Wir müssen den Mund aufmachen und das Schweigen brechen.
Wir müssen die Mutigen sein, die für unsere Überzeugungen einstehen,
denn wenn ich eine Sache verstanden habe,
wenn es etwas gibt, das ich für das größte Problem halte,
dann ist es nicht etwa, eine Welt zu erschaffen,
in der wir den anderen Menschen die Ignoranz austreiben,
sondern eine Welt zu erschaffen, in der wir lehren, uns selbst zu akzeptieren,
in der wir mit uns selbst im Reinen sind,
denn wenn wir einmal ehrlich mit uns sind,
sehen wir, dass wir alle kämpfen und leiden.
Ob es das hier ist, ob es etwas anderes ist,
wir alle wissen, wie es ist, zu leiden.
Wir alle wissen, wie es ist, Stiche im Herzen zu haben,
und wir alle wissen um die Wichtigkeit der Heilung.
Aber im Moment sind Depressionen ein tiefer Schnitt in der Gesellschaft,
und wir kleben zufrieden ein Pflaster darauf und tun so, als wäre er nicht da.
Aber er ist da. Er ist da und wisst ihr was? Das ist okay.
Depressionen sind okay. Wenn man Depressionen hat, sollte man wissen, dass mit einem alles in Ordnung ist.
Man sollte wissen, dass man krank ist, nicht schwach,
und es ist ein Problem, aber es macht einen nicht aus,
denn wenn man die Angst, den Spott, die Urteile
und die Stigmata anderer Menschen hinter sich lässt,
kann man Depression so sehen, wie sie wirklich sind,
und zwar als Teil des Lebens,
einfach als Teil des Lebens, und so sehr ich
manche der Orte, manche Teile
meines Lebens hasse, in die mich die Depressionen getrieben haben,
bin ich in vielerlei Hinsicht dankbar dafür.
Sie hat mich in ein Tal gezogen,
aber nur um mir den Gipfel zu zeigen,
und sie hat mich durchs Dunkel getrieben,
nur um mich ans Licht zu erinnern.
Mein Schmerz – mehr als alles andere in 19 Jahren auf diesem Planeten –
hat mir Perspektiven gegeben, und mein Leid,
mein Leid hat mich gezwungen zu hoffen,
zu hoffen und zu glauben – an mich selbst,
an andere, daran, dass es besser werden kann,
dass wir das hier verändern können, dass wir die Stimme erheben
und uns gegen Ignoranz wehren können,
gegen Intoleranz,
und vor allem
lernen können, uns selbst zu lieben,
lernen, uns so zu nehmen, wie wir sind,
die Menschen, die wir sind, und nicht die, die sich die Welt wünscht.
Denn in der Welt, an die ich glaube,
kann man seine helle Seite festhalten, ohne seine dunkle Seite zu übergehen.
In der Welt, an die ich glaube, misst man uns daran,
wie gut wir Rückschläge überwinden, nicht vermeiden.
In der Welt, an die ich glaube, kann ich jemandem in die Augen sehen
und sagen: „Ich gehe durch die Hölle.“
Und mein Gegenüber sieht mich an und sagt: „Ich auch und das ist okay.“
Es ist okay, weil Depression okay sind. Wir sind Menschen.
Wir sind Menschen, wir kämpfen und leiden,
bluten und weinen, und wenn Sie denken, dass wahre Stärke
bedeutet, sich keine Schwächen anmerken zu lassen, dann bin ich hier,
um Ihnen zu sagen, dass Sie sich irren.
Sie irren sich, denn wahre Stärke ist das Gegenteil.
Wir sind Menschen und wir haben Probleme.
Wir sind nicht vollkommen und das ist okay.
Deswegen müssen wir die Ignoranz,
die Intoleranz und die Stigmata beenden,
und das Schweigen und die Tabus brechen,
der Wahrheit ins Gesicht sehen und miteinander sprechen.
Wir schaffen es nur, ein Problem zu besiegen,
gegen das Menschen alleine kämpfen müssen,
wenn wir alle zusammenhalten,
wir müssen alle zusammenhalten.
Ich glaube daran, dass wir das können.
Ich glaube daran, dass wir es können. Vielen Dank euch allen!
Für mich wird ein Traum wahr. Danke. (Applaus)
Danke. (Applaus)